Nur drei weitere Tage in Buenos Aires, doch voller Erlebnisse!
8. Dezember, Buenos Aires
Nachdem ich mich wieder ein wenig aufgepäppelt hatte startete ich meine Erkundungen durch die riesige Stadt von Buenos Aires am 5. Dez. wieder von Neuem und versuchte ein Geschäft mit Outdoorkleidung für meine Antarktika Expedition zu finden. Ich brauche für das viele Eis noch einige warme und Wasser abweisende Kleidung. Ich hatte mir einen Laden im Internet heraus gesucht, leider nicht gefunden, so gelangte ich wieder in die Einkaufsstraße „Florida“, einer endlosen Fußgängerzone. Für die Antarktika brauchte ich auch eine neue Sonnenbrille mit UV Schutz, die letzte hatte ich in Kuala Lumpur auf dem Fake Markt erstanden, Qualität gleich null. Der Verschleiß an Brillen, sei es Sonnen- oder Lesebrille ist immens groß auf dieser Reise, ich lebe fast ausschließlich aus der Tasche und das ewige raus und rein mögen Brillen nicht so gerne. So erstand ich eine neue, nicht gerade billige in einem dortigen Kaufhaus, doch bezahlen konnte ich wieder nicht mit meiner Karte ohne Pass. So musste ich erst Cash von der Bank holen; scheint als gäbe es hier wohl sehr viele gefälschte Kreditkarten.
Wirklich munter war ich immer noch nicht, so machte ich wieder im London Café, das direkt an der Ecke Florida/Peru liegt , eine größere Pause. Ja, die Straßennamen gehen einmal durch Südamerika, fast alle Länder habe ich hier schon entdeckt.
An dieser Straßenecke ging es am heutigen Samstag sehr turbulent zu. Besonders auffallend waren zwei Herren, gekleidet in Sacco und gepflegten Schuhen. „Cambio, Cambio, Cash, Cambio …..“ riefen sie in einem fort, für mich wurde es zu einem Ohrwurm, den ich an diesem Tag kaum noch los wurde. Später nahm ich diesen Ausruf die ganze Florida wahr. So konnte ich sehr gut von meinem Platz beobachten, wie es zu diesen unglaublichen Tauschkursen kommen kann, allerdings sehr gefährlich, reichlich Falschgeld ist im Umlauf. Eine kleine Gruppe amerikanischer junger Mädchen ging mit um die Ecke zur Cashstube. Als sie zurück kamen, sahen sie nicht wirklich glücklich aus. Wirklich erfolgreich waren diese beiden Herren zum Glück nicht; „Cambio, Cambio, Cambio“ ……!
Etwas gestärkt trieb mich meine Neugierde nun doch endlich in Richtung Harbor Front. Ich hatte gelesen von dem Puerto Madero; wie überall zieht es mich immer in die Häfen. Liegt das an meiner Geburtsstadt Hamburg?
Auf dem Weg dorthin kam ich an einem weiteren monumentalen Gebäude, dem Centro Cultura Kirchner vorbei. Ein Kulturzentrum an dem über 20 Jahre gebaut wurde und erst seit kurzem fertig gestellt.
Kommt dies jemanden aus Hamburg bekannt vor, wie weit ist denn unsere Elbphilhamonie?
Dieses Kultur Zentrum ist wohl eines der letzten Denkmäler der 12 Jahre währenden sehr umstrittenen Kirchner Dynastie. Übermorgen geht sie zu Ende. Eine Stichwahl hat sich für den neuen konservativen Präsidenten Macri entschieden; so hat die peronistische Kirchner Regierung seit langem ihr Ende gefunden. Vieles soll sich endlich ändern in Argentinien, die Menschen sind voller Hoffnung, keiner scheint wirklich zu bedauern, dass jetzt ein Konservativer die Regierung erhält.
Doch dieses Zentrum der Kultur ist mit seinen Ausmaßen bisher das Größte auf der Welt. Außen eher konservativ, innen hoch modern. Für die Öffentlichkeit ist das Gebäude frei zugänglich, nur die Konzertsäle bleiben einem ohne Eintrittskarte verwehrt. Zehn Stockwerke, die man umlaufend besichtigen kann, Ausstellungen und auch eine Kirchner Selbstdarstellung sind zugänglich. In der Mitte steht auf gigantischen Betonfüßen ein frei schwebender riesiger Konzertsaal, La Bellena Azul, aussehend wie ein großes Schwein aus Metallgeflecht.
An Kulturstätten mangelt es wirklich nicht in Buenos Aires. Konzerte, Opern, Theater, Tangokult, Kinos und Museen, wochenlang könnte man jeden Tag nur in „Cultura“ leben – wie gerne würde ich jetzt Spanisch können.
Meine Zeit vergeht hier unglaublich schnell, nur die große Stadt im Innern zu erfassen dauert, wenn man nicht nur durchhetzen möchte. An diesem Tag fühlte ich mich nicht wirklich sehr glücklich, wieder einer der Tage, der so manche Zweifel auf kommen ließ. Meine mangelnden Spanischkenntnisse und meine angeschlagene Gesundheit trugen sicher den Hauptanteil dazu bei. Ich fühlte mich wie abgenabelt von dem Geschehen um mich herum. Bisher war ich es gewöhnt einfach mit den Menschen zu sprechen, denen ich begegnete, doch hier schien ich nur auf Kopf schütteln zu stoßen mit meinem Englisch. Außer Bestellen und Einkaufen mit ein paar Spanischwörtern geht an Unterhaltung nicht mehr, so schien es mir bis dahin.
Nach dem Kulturzentrum war es nicht mehr weit bis zum Puerto Madero, gelegen an dem Rio de la Plata. Vor mir öffnete sich ein völlig anderes Buenos Aires, eine Hochhäuser Skyline, moderne Brücken und eine Harbor Front, wie ich sie schon in vielen Städten gesehen habe. Restaurants neben Bars, Wohnungen und Bürohäuser und entlang der Promenade Menschen die joggten, Fahrrad fuhren oder mit Rollerblades unterwegs waren, nicht zu vergessen die vielen flanierenden Fußgänger. Ein paar Oldtimer lagen an der Pier, doch wirklich fahrende Schiffe sah ich nicht. Der große Hafen ist von dort nicht sichtbar, so wie bei uns in Hamburg. Daher wirkte dies für mich eher künstlich und nur teuer und austauschbar mit jeder am Wasser liegenden Großstadt.
Ich genoss in einer Bar ein Glas Wein und schaute mir das Treiben an, bevor ich mich müde und immer noch etwas unzufrieden auf den Weg zu meiner Casa machte. Auch wenn ich jeden Tag ein paar Wörter mehr Spanisch kennenlerne, so hoffe ich doch die nächsten Monate noch auf Englisch sprechende Menschen zu treffen.
Am nächsten Morgen, dem Sonntag und Nikolaustag, wie Anja und ich feststellten; einen Tag, den man hier nicht kennt. Wir hatten uns für diesen Tag schon verabredet, gemeinsam wollten wir zumindest den Abend mit einer Tango Milongo in San Telmo verbringen. Sonntag ist für BA allerdings auch Markttag in vielen Vierteln. Auch hier wollte ich unbedingt nach San Telmo, inzwischen mein Lieblingsviertel, auf den Mercado de San Telmo, dem Markt mit einer sehr typischen Atmosphäre.
Start ist auf der AV Defensa, direkt am Plaza de Mayo beginnend und endlos bis zum Herzen von San Telmo, dem Plaza Dorrego. Die Atmosphäre war großartig, alles war zu bekommen. Künstler mit selbstgefertigten Kunsthandwerk, Kleidung in jeder Fasson, Altes und Originelles, verkauft von Originalen aus BA, Musik, Kleinkunst und einigen kulinarischen Leckereien, dies begleitete uns stundenlang bis zur Plaza Dorrego. Die Plaza empfing uns schon von weitem mit Tangoklängen, vor uns tanzte ein Paar aus kineastischer Vergangenheit, ein Postkarten Motiv – einfach herrlich.
Die Marktszene der Plaza wechselte in einen Antikmarkt, mit vielen erstaunlichen europäischen Dingen, sei es unser berühmtes Geschirr mit Zwiebelmuster oder Bleiglas Gefäße, alles Dinge, die bei uns schwer verschlossen und teuer in Antiquitätengeschäften schmoren und hier unter frischer Luft auf Markttischen stehen. Wer also solche Kostbarkeiten sammelt, sollte sich auf den Weg nach Buenos Aires machen.
Mit hungrigen Mägen gingen wir in die Markthalle von San Telmo, auch eine Sehenswürdigkeit. Bei einem Patrone wie er im Buche steht, aßen wir die besten Empanadas Pollo in BA, ein nettes Plätzchen um Pause zu machen. Danach ging Anja noch einmal nach Hause, sie brauchte ihre Tanzschuhe für die Milongas, eine weitere wollten wir noch in einem Club besuchen. Ich schlenderte weiter durch San Telmo, entdeckte eine Galerie, die Galeria de Arte von Mercedes Giachetti, einer großartigen Aktkünstlerin.
Dort wurde ich von einer sehr netten jungen Argentinierin begrüßt – in wunderbarem Englisch! Was für ein Vergnügen für mich, endlich einmal mit jemanden in Englisch über die Kultur und Sitten dieser Stadt mich zu unterhalten. Der Stil dieser Galerie gefiel mir sehr, nicht alle Künstler, doch die ganze Atmosphäre tat mir gut.
Weiter entdeckte ich einen Innenhof mit Cafés und kleinen Läden mit Kunstgewerblichem. Der Innenhof weißt noch die alten Zeugnisse aus anderer Zeit auf, als San Telmo noch das Viertel der Reichen Kolonialgesellschaft war, gebaut im Französischen Stil. Dieser Innenhof, heute Galeria Comercial genannt, war früher der Hof eines prächtigen herrschaftlichen Hauses. Im zweiten Stock, über eine Galerie erreichbar spielte eine kleine Gruppe Gitarre und Gesang, meine Füße brauchten dringend eine Pause. Einen Stuhl konnte ich ergattern, ein Glas Wein und frische Erdnüsse auf dem Schoss vergnügten mir die Zeit.
Um 19:30 Uhr trafen Anja und ich uns auf der Plaza Dorrego pünktlich zum Start der öffentlichen Milonga mit dem Start des Tango Festivals wieder. Im Hintergrund wurde noch lautstark der Antikmarkt abgebaut. In der Mitte war die Tanzfläche frei und schon reichlich umringt von vielen Menschen. Ich hatte noch einen der begehrten Plätze in der ersten Reihe stehend erwischt.
Erst eröffneten die Profitänzer die Milonga, später tanzten die umstehenden Menschen, die Tango tanzen können, auch Anja wurde aufgefordert. Meist werden vier Tänze in unterschiedlichen Tempi getanzt, Regeln, die man kennen muss, bevor man sich auf die Tanzfläche wagt. Es war faszinierend zu sehen, wie Jung und Alt sich auf dieser Tanzfläche bewegten, am interessantesten war für mich auf die Füße mit den unglaublich unterschiedlichen Schritten zu schauen.
Eine kleine Performance der Profis wurde uns noch dargeboten, eine Abfolge der Tangogeschichte, eigentlich ein Revolutionstanz. Unser Hunger trieb uns in ein kleines typisches Lokal, beide aßen wir Fleisch mit Salat, einen Teller gefüllt mit einem riesigen Stück Fleisch, Salat in einer kleinen Schüssel daneben – für meinen noch so hungrigen Magen nicht zu schaffen. Kurz vor 23 Uhr gingen wir in den Club Maldita Milonga, nicht weit davon entfernt.
Wir saßen an einem Tisch direkt an der Tanzfläche, hinter uns die Bühne für das Orchester. Ich hoffte nur, dass mich keiner auffordern würde, doch woran auch immer dies zu erkennen ist, Anja sah man an, dass sie Tango tanzen kann. Das Niveau der Tänzer erhöhte sich um einiges. Um Mitternacht kam das Orchester „El Afronte Orquesta Tipica“ auf die Bühne, die Stimmung änderte sich schlagartig in eine powervolle knisternde Atmosphäre. Selbst die Tänzer bekamen mehr Schwung, so schien es mir. Was für ein Tag!
Ein weiteres Highlight war eine Tanzshow eines begnadeten Tango Paares mit fast akrobatischen Schritten, einfach großartig. Trotz der späten Stunde war ich wie aufgedreht, still sitzen fiel mir nicht leicht, der Rhythmus hat es in sich und macht Lust auf diesen Tanz.
Ein Taxi brachte uns zu später Stunde zurück und der schönste Tag in BA ging für mich um 2:30 zu Ende.
Gestern schlief ich tatsächlich etwas länger, seit meiner Gesundheitsattacke hat sich mein frühes Aufstehen der letzten Monate verflüchtigt, auch hatte ich für ein paar Tage laute Nachbarn im Nebenzimmer, die mir die Nachtruhe etwas versüßten.
So verbrachte ich einen etwas ruhigeren Tag. Erst tauschten Anja und ich unsere Fotos aus, sie ist für ein Paar Tage nach Mendozzo geflogen. Später fuhr ich zum ersten Mal Bus in dieser Stadt.
Ich wollte nach Palermo, ein Stadtteil weiter entfernt von hier. Linie 64 hatte ich von Sergio erfahren, einsteigen kannst du oben an der Hauptstraße. So machte ich mich auf dorthin, fand auch die Bushaltestelle mitten im Gewühle, stand an wie es hier üblich ist. Endlich kam der Bus, die anderen hielten eine Karte an ein Lesegerät und ich wollte bezahlen. Nicht möglich, so stand ich etwas ratlos vor einem Apparat, von dem ich nichts verstand. Plötzlich reichte mir eine Frau ihre Karte, ich sollte sie an das Lesegerät halten; 3,55 Pesos (0,35 Cent) stand dort geschrieben, dafür wird man durch die ganze Stadt gefahren. Die Argentinierin spendierte mir diese Fahrt mit einem Lächeln, was für eine Gastfreundschaft!
Wild durchschaukelt kam ich schließlich am Plaza Italia an, jetzt sind die europäischen Länder dran. Ein riesiger Platz, von dem viele Richtungen weiter laufen. Ich wollte in die angrenzenden Parks, dringend brauchte ich etwas Grün um mich herum.
Jardin Botanico, Japanico, der Zoo und der Park 3 de Febrero, alle schließen aneinander an. Außer dem Zoo durchlief ich sie fast alle. Die BA’s haben vier Tage frei, Wochenende, Brückentag und Feiertag, Maria Empfängnis. Entsprechend gut besucht waren diese Parks, besonders der Park 3 de Febrero, der mit einem See besonders attraktiv ist. Bötchen fahren, Picknick machen, mit dem Fahrrad kommend, Rollerblades und anders Gefährt, alles mischt sich bunt miteinander.
Ich kaufte mir das beste Eis überhaupt, BA ist dafür berühmt, legte mich auf eine der Wiesen und genoss die Sonne in meinem Gesicht. Seit ich aus Neuseeland gekommen bin, hat sich mein Aussehen nicht gerade verbessert, gegen die tiefen Schatten musste ich etwas tun.
Am frühen Abend lief ich langsam zurück durch die Straße, in der sich Evita Perons Museum befindet, natürlich zu um diese Zeit. Im Innenhof dieser Villa befand sich ein herrliches Restaurant, genau richtig für mich. Um mich herum saßen nicht nur Touristen, die meisten schienen BA’s zu sein. Familien, ältere Damen, die sich zum Klönen trafen oder junge Leute. Ich wollte um diese Zeit gerne mein tägliches Dinner essen, falsche Uhrzeit für Argentinien. Zwischen 17 und 20 Uhr isst man doch Kuchen und trinkt Café! Wusste ich ja schon, doch so konsequent wie hier ist mir das noch nicht aufgefallen.
So bekam ich die kleine Karte, auf der einen Seite Cafés in zig verschiedenen Variationen und Süßem, auf der anderen Seite Sandwich und Foccia. So bestellte ich mir eine große Flasche Wasser, eine Foccia Pollo und eine Glas Wein. Schon das was auf den Tischen stand, wies auf die Touristen hin, nur diese tranken Wein und aßen Herzhaft.
Es war ein schöner Platz, um das Leben dieser hier lebenden Menschen kennen zu lernen. Durch einen Lacher, der mir bei einem vor meiner Nase sitzenden etwas entblößten Rückenteil heraus rutschte, kam ich mit zwei typischen Damen aus dieser Gesellschaft ins Gespräch. Sie wollten genau wissen warum ich lachen musste; oh wie peinlich. Eine sprach Englisch, ich wand mich geschickt um eine Antwort, doch jetzt wollte sie wissen woher ich komme. Eine dieser charmanten Damen hatte ihre Wurzeln in Deutschland, stammelte ein deutsches Wort und lächelte darüber. Sie waren sehr interessiert an meiner Reise, meinten allerdings auch, ich solle vorsichtig sein in Argentinien.
Dies ist schon schade, das lässt das Reisevergnügen mich etwas einschränken, nur glauben muss ich dies wohl langsam, so viele Argentinier warnen mich davor. Wie gut, dass ich schon so viele Reiseerfahrungen gesammelt habe, nur meine Kamera kann ich nicht einfach schultern, das könnte schief gehen.
Diesen Abend ließ ich mich von einem Taxi nach Hause bringen, für gerade einmal 5 Euro.
Jetzt sitze ich schon den halben Tag an meinem Mac und schreibe, gleich 14:30 Uhr und der Hunger kommt nach meinem spärlichen Frühstück. War ich doch schon wieder drei Tage im Hintertreffen. Nun möchte ich heute nichts Neues entdecken, werde also in mein Lieblingsviertel gehen und schauen was sich dort heute so tut …..!
Buenos Aires an einem Feiertag wie diesen 8. Dezember, Maria Empfängnis zu besuchen, sollte niemand machen. Wo sind all die vielen Menschen nur geblieben? Die einzigen, die man hier entdecken kann, gehören nicht unbedingt zu der Gesellschaft, die man kennen lernen möchte. Schon am Plaza Congreso, für mich bisher nur ein wunderschöner Platz, wurde ich von einer jungen, herum lungernden Horde Jugendlicher auf die Straße getrieben. Parkende Touristen Busse schotteten den Platz vor Einsicht ab, eine Kleinigkeit an meine Tasche zu gehen. Sie kamen direkt auf mich zu, sodass meine Spürnase, mich direkt auf die Straße zu begeben vor, was auch immer, rettete. Gelächter schalte mir hinterher, eine Bestätigung, dass ich richtig gehandelt hatte. Schon einige Male ist der Weg auf die Straße besser, als auf einem tief uneinsichtigen Bürgersteig für mich gewesen, nur bei Nachahmung bitte auf die Fahrzeuge achten!
Es war fast unheimlich durch eine sonst so pulsierende Stadt zu laufen, deren untere Etage völlig verriegelt schien, überall waren die Rollläden heruntergelassen, kaum ein Café hatte geöffnet, nur typische touristische Häuser waren geöffnet.
Doch ganz wollte ich nun nicht gleich aufgeben und lief weiter bis zum Plaza Mayo, wo die AV Defensa, die in das Viertel San Telmo führt beginnt. Wo Vorgestern das Leben tobte, schien sich kaum etwas zu bewegen, nur ein paar Touristen liefen in meine Richtung.
Den Plaza Dorrego habe ich unbeschadet erreicht und zu meiner großen Freude wurde dort wieder Tango getanzt. Mein Hunger wurde immer unerträglicher, sodass ich es direkt auf dem Platz mit Blick auf die Tanzende noch einmal versuchte. Gefühlte Tische verhießen, dass es etwas zum Essen geben könnte. Doch die Uhrzeit hätte mich eigentlich schon warnen können, man hatte bereits gegessen, die Tische waren nur noch nicht abgeräumt.
Wasser und ein Glas Wein bekam ich nach einer viertel Stunde, das bestellte Essen erhielt ich auch nach einer weiteren halben Stunde nicht, sodass ich bezahlte und mich zu meinem mir bekannten Ziel, der Markthalle von San Telmo begab. Le Patrone erkannte mich sofort, vorgestern aßen Anja und ich hier die besten Empanadas in BA. Doch wirklich viel war auch hier nicht los. Si, du bekommst etwas zu essen, setze dich und im Nebensatz; so beautiful, damit war ich schon vor zwei Tagen gemeint. Die bestellte Flasche Wasser war in einer Sekunde auf dem Tisch.
Le Patrone heißt Enrique, ist ein herzensguter Seniore mit prächtiger Leibesfülle auf Brautschau. Er stellte mir am Nachbartische einem Journalisten aus UK vor, der auch schon bessere Zeiten hatte, unglaublich dünn und nicht wirklich gesund wirkend. Doch wir kamen in ein interessantes Gespräch über Argentinien, seine Politik, die Wahl und ihre Menschen. Selber lebt er schon seit 12 Jahren hier in BA und behauptete von sich hier glücklich zu sein.
Trotz dieser ganzen durchgedrehten Situation genoss ich dieses morbide anmutenden Flair dieser Markthalle, das unverfälschte Leben dieser Stadt präsentierte sich mir quasi auf dem Tablett.
Mir war nach Fleisch zu Mute, so bestellte ich eine Milanesa mit Salat. Bekommen habe ich eine panierte Schuhsohle, umgeben von einer aufgeschnittenen Zitrone, mit einer Schüssel Grünzeug und Tomaten – wo bitte gibt es eine Säge? Die Hälfte schaffte ich, die Erinnerung an die saftige Emplanada zwei Tage zuvor ließ mich kaum glauben, dass ich am selben Platz war.
Um nicht am Abend, so wie jetzt zu verhungern orderte ich noch eine Emplanada zum Mitnehmen, die werde ich jetzt gleich verspeisen. Trotzdem hat es mir großen Spaß gemacht dort zu sein, mich unterhalten zu können und einen herzlichen Patrone zu erleben. Für mein Essen habe ich nicht wirklich viel bezahlen müssen. Ein Taxi brachte mich direkt vor die Tür.
Die Emplanada schmeckte inzwischen auch kalt vorzüglich.