13. Dezember, auf dem Weg nach Ushuaia.
Buenos Aires letzten Stunden! Noch sitze ich für ein paar entspannte Minuten im Patio der Casa dos Angelitos, Sergio bringt mich gleich zum Flughafen. Um mich herum wird geschäftig gewühlt und repariert, Mama und Papa sind ständig dabei ihre Casa in Schwung zu halten. Mama liebt Blumen, was diesem Patio auch den ganzen Charme verleiht und Rudi, eigentlich Rudolfo, hält heute den Wasser Zu- und Abfluss in Schwung. Für mich scheinen die Wurzeln aus Deutschland noch tief verwachsen zu sein.
Gestern verlebte ich zusammen mit Anja, die aus Mendoza wieder zurück ist, einen wunderschönen herrlichen letzten Abend in Buenos Aires auf dem Tango Milonga Festival 2015. Drei große Bühnen waren auf der AV del Mayo aufgebaut, zwei davon hatten große Tanzflächen davor. Zwangspause, muss zum Flughafen!
Inzwischen sitze ich schon wieder auf einem Flughafen, mein Flug startet eigentlich jetzt, doch vor mir ist gähnende Leere! Auf der Anzeige steht zwar immer noch „On time“! Dies scheint für den Rest meiner Reise zum Sport zu werden – warten! Gerade ist eine Maschine vorgefahren, doch nicht von meiner Fluglinie? Spannend und niemals langweilig.
Ushuaia, 13. Dezember 2015, Feuerland oder wie es hier genannt wird „ Tierra del Fuege“.
Dazwischen liegen schon wieder etliche Stunden und aufregende Erlebnisse. In Ushuaia mit dem Flugzeug zu landen ist schon ein Erlebnis für sich. Man fliegt durch eine dicke Wolkendecke, wird kräftig durchgeschüttelt, bis vor einem weiße schneebedeckte Berge, die Anden, sich aus dem Wolkengebilde empor heben, direkt dahinter das graue, sehr raue Meer und ein kleiner Hafen, Ushuaia.
Das ist schon eine andere Landung, mit dem Bewusstsein so weit am Südpol zu sein, ist etwas sehr besonderes, dies nach so einer intensiven Zeit direkt in Buenos Aires zu erleben, ist für mich ein großartiges Ereignis; unerwartet und sehr erhebend.
Meine Reise die letzten acht Monate hatte schon so viele Highlights, dass dies kaum noch zu überrunden ist; so dachte ich bis vor ein paar Stunden, hatte ich doch fast gar keine Lust hier herzufliegen. Jetzt, wo ich angekommen bin, ist es ein unaussprechliches Gefühl, erhebend fast nicht nachvollziehbar für mich gerade.
Ein paar Stunden lief ich durch diese kleine Stadt, die so extrem anders ist als 13 Tage Buenos Aires, für mich bisher das pure Argentina. Doch in dem kleinen Ushuaia, sie ist die südlichste Stadt auf der ganzen Welt, befinden sich mehr Nationalitäten als irgendwo anders, zumindest dort wo ich bisher meine Zeit verbracht habe. All diese Menschen sind mit dem gleichen Staunen hier angekommen, mir scheint sie haben alle ein besonderes Leuchten in ihren Augen angesichts dieses sehr speziellen Ortes, der nicht einmal wirklich einladend ist. Die Temperaturen und der graue Himmel machen es einem auch nicht leichter. Ein Blick in den Hafen, ein kleiner mit unzähligen Buden, die Schiffstouren zum Eis, zu den Pinguinen, Walen …. anbieten, schon nicht normal und wie sollte es auch anders sein, Hamburg Süd ist auch hier in Form der Container vorhanden!
Wenn man sich diese Lage bewusst macht, schwebt man in einem anderen Level; für mich das große Gefühl an einem Punkt zu sein, der sich am Ende unserer Welt befindet. Es geht nicht einfach einmal über den Südpol zu laufen oder fahren.
Natürlich hat Ushuaia auch ein entsprechendes fotogenes Schild, das sicher schon tausende Male auf einem Foto gelandet ist, jedes Mal stehen andere Menschen davor. Könnte dieses Schild sprechen, so würde es uns endlose Geschichten erzählen können.
Aus Buenos Aries kommend, mit Temperaturen über 30 Grad jetzt bei um Null herum ist schon ein Sprung ins Eiswasser nach der Sauna, doch der Wind, der hier durch die Gassen fegt, treibt einem die Kälte in den Kopf. Zu dumm, gerade jetzt hat mir ein eifriger Friseur in BA die Haare besonders kurz geschnitten.
Meine Daunenjacke war schnell wieder aus der Tasche gezaubert, doch eine Kopfbedeckung dieser Art brauchte ich bisher noch nicht auf dieser Reise. Leichte Kopfschmerzen sind nun das Ergebnis, wie gut, dass ich drei Tage zum akklimatisieren habe, bevor ich tiefer in die Antarktikas gelange.
Nur mit meinem obsthaltigen Frühstück und ein paar Keksen als Flugzeug Imbiss im Magen begab ich mich am Abend in ein kleines Lokal, dass ich so auch noch nicht sah. Die Wände sind gepflastert mit Nachrichten aus aller Welt, alle von Menschen, die auch einmal an diesem besonderen Ort waren. Die Decke ist mit entsprechenden Fahnen ausgeschmückt, Fahnen, die andere mitgebracht haben. Das einzige was mich hier noch an Argentinien, denn dort befinde ich mich immer noch erinnerte, war die Speisekarte, nur die Preise haben sich geändert. Mein teuerster Abend in Argentinien ging mit dem gleichen Essen einher, wie in BA.
Neben mir saßen zwei Frauen mit perfektem Englisch, natürlich kamen sie aus England, für mich eine Wohltat dieses klare Englisch seit Monaten einmal wieder zu hören. Mein Ohr hatte sich inzwischen an so manchen Slang dieser Sprache gewöhnt, doch verstanden habe ich zum Teil nichts. Besonders die Neuseeländer, wenn sie dort geboren sind, waren für mich zum Teil unverständlich.
Sie erzählten mir von ihrer Reise durch Patagonien, kommend von Santiago de Chile, also genau anders herum. Ihre größte Begeisterung galt Chile, allerdings Wetter abhängig. Was für ein herrliches Gespräch und so Mut machend für meinen letzten großen Trip durch Südamerika. Überall trifft man auf Gleichgesinnte, die ähnliches unternehmen, nicht gleich ein Jahr, doch lange genug um sich mit mir auszutauschen.
Dies waren gerade einmal vier Stunden in Ushuaia!
Fehlen noch die letzten Erlebnisse aus Buenos Aires. Zusammen mit Anja war ich auf dem Tango Festival mitten auf der großen Hauptstraße AV del Mayo. Für die intensive Zeit in BA war dies genau der richtige Abschluss mit einem großartigen Abend. Die drei Bühnen, die sich auf einem Kilometer verteilten boten uns unterschiedliche Darstellungen. In der Mitte wurde Tango Musik mit Gesang und davor eine Tanzfläche angeboten, die Tontechnik gestaltete die Stimmen leider für unsere Ohren zu grell aus, sodass wir erst daran vorbei zogen. Auf einer kleineren Bühne traten unterschiedliche Künstler und Musiker auf, alle mit Tangoklängen, zum Teil sehr schöne Stimmen. Am anderen Ende befand sich die größte Bühne, davor eine große Tanzfläche, die allerdings umzäunt war und für die vielen Tango Tanzschulen reserviert war. Erst zu sehr später Stunde fing an dieser Stelle der wirkliche Abend an.
Wir wechselten mehrmals unsere Plätze, erst nur mit Zuschauen, doch zu späterer Stunde tanzte Anja mit unterschiedlichen Partnern auf der Straße, so wie viele andere auch. Für mich war schon das Zuschauen und Zuhören begeisternd. Die rhythmische Tango Musik geht auch in mein Blut über, still stehen fällt schwer.
Auf der mittleren Bühne kamen wir gerade rechtzeitig zu einer Profishow mit vier Paaren, eine Frau tanzte sogar hoch Schwanger mit, ein etwas ausgefallenes Bild. Der Hunger ließ uns eine Pause am Rande mit Empanadas und Rotwein machen. Zum Abschluss bekamen wir noch zwei große Tango Orchester auf der großen Bühne zu hören, auf der Tanzfläche war inzwischen kein Platz mehr. Überall wurde dazu getanzt, auf der Straße, auf dem Fußweg und vor der Bühne. Ein herrlicher Anblick, was für eine Nacht.
Anja, die in zwei Tagen nach Berlin fliegt bekam von mir noch eine meiner externen Sicherungsfestplatten meiner tausenden an Fotos der ersten acht Monate mit ins Gepäck. So ist schon mal ein Teil von mir zurück in Deutschland. Danach stiegen wir in zwei Taxen und fuhren in unsere jeweiligen Unterkünfte.
Etwas aufgewühlt und nicht wirklich ahnend, wie der nächste Schritt in das kalte Ushuaia mir gefallen wird, schlief ich diese Nacht leider viel zu kurz, denn gepackt hatte ich noch nicht und nach 13 Tagen fühlte sich mein minimaler Besitz etwas chaotisch an, sodass meine Nacht eher kurz ausfiel.
Wie schon so oft war meine Nervosität wieder einmal völlig unsinnig, das wenige ist jedes Mal so schnell verpackt. Mein System ist mir inzwischen so klar, kein Suchen, jede Lücke hat für etwas ganz Bestimmtes seinen Platz und in zwanzig Minuten ist alles wieder an seiner richtigen Stelle. Die ganze Technik kommt bei einem Flug immer in mein „Handgepäck Rucksack“, 12 Kilo kommen da jedes Mal zusammen.
Der Rest steckt in meiner großen Tasche, die seltsamer Weise in 13 Tagen um 2 Kilo schwerer geworden war. Warum, dies fiel mir erst in Ushuaia auf, ich hatte mir in weiser Vorsicht alle Waschutensilien neu gekauft, da kommt schon einiges an Gewicht zusammen.
14. Dezember in Ushuaia.
Der 14. Dezember wärt nicht mehr lange, schon wieder ist es 23 Uhr, wollte ich doch heute ganz früh ins Bett gehen. Die vergangene war nicht gerade lang und intensiv genug. Mein Kopfdruck hatte sich eher verschlimmert, auch meine Erkältung samt Husten hält sich hartnäckig, durch die Kälte wieder verstärkt. Der Gang zu einer Pharmazia mit dem Einkauf von zwei Medikamenten dagegen hat auch noch nicht viel Erfolg gebracht. Meine eigene Apotheke hat sich Richtung Erkältung leider schon geleert. Bleibt mir weiterhin noch mein Tigerbalsam, dass ich zuletzt in Kaschmir erstanden habe und Ingwer und die Hoffnung in der Antarktis bei klarer Luft den Kopf wieder frei zu bekommen.
Den heutigen Tag verbrachte ich größten Teils damit meine bisherige Ausrüstung für die Antarktis zu erweitern. Meine heiß geliebte grüne Daunenjacke, die zuletzt in Queenstown in Neuseeland auf den Fotos zu sehen war, hat eine Wasser und Wind Überhaut bekommen, ganz nach dem Zwiebelmuster. Nicht hübsch, aber hoffentlich praktikabel. Dies zu entscheiden, hat mich Stunden gekostet und auch so einige Pesos. Eine Thermohose, gleich gemeint wie eine dicke Skihose brauchte ich ebenfalls. Zu Hause besitze ich davon einige, doch das Schicken per Post war zu riskant und auch nicht günstig. Mütze und Handschuhe und eine Unterziehhose kamen noch dazu. Gummiboots für die Anlandungen auf dem Eis bekomme ich auf dem Schiff, sodass meine Trekkingschuhe hoffentlich ausreichen. Einiges aus dem bisherigen Gepäck muss ich wieder verschenken, um Platz für die neuen Dinge zu bekommen. Gewicht wird sich wohl noch etwas erhöhen.
Viel mehr als eine Lunchpause und einen Abendspaziergang zum Hafen habe ich heute nicht geschafft. Im Hafen herrscht ständig reges Leben, heute lag hier ein riesiges Kreuzfahrer Schiff und zwei kleinere Expeditionsschiffe. In zwei Tagen wird mein Expeditionsschiff hier wohl am Morgen anlegen und 90 Menschen auswechseln. Hoffentlich halte ich es auch 20 Tage auf dem Schiff aus, seit acht Monaten entscheide ich täglich für mich selber, dort wird dies für mich eine Crew übernehmen. Wie immer mache ich mich vorher immer etwas verrückt. Auch wird es sehr interessant mit wem ich mir meine Kabine teilen werde. Irgendwo in Ushuaia läuft vermutlich noch eine Frau herum und stellt sich die gleiche etwas bange Frage, versehen wir uns über 20 Tage mit einander, passen wir zusammen …..!
Beim Lunch lernte ich heute eine Niederländerin kennen, die schon heute auf ein anderes Expeditionsschiff die gleiche Reise startet. Auch sie musste noch mit der großen Unbekannten umgehen. Zum Abschied gaben wir uns gegenseitig die Sympathie entgegen, die man für so einen Trip braucht; leider zwei Tage zu früh.
So werde ich also weiter abwarten müssen und mein Herz weit öffnen um mich nicht schon vorher verrückt zu machen. Wird schon passen!
Bevor meine Nacht wieder zu kurz wird, denn morgen möchte ich in den National Park und eine Wanderung unternehmen, schließe ich für heute und sage gute Nacht.
16.Dezember, noch in Ushuaia.
Nun ist der tag der tage gekommen; meine große Antarktis Tour beginnt heute Abend! Spannung sollte eigentlich steigen, bin ich schon so Reise abgestumpft oder ein alter Hase in Sachen „Neuer Ereignisse“? Beides stimmt nicht! Eher bin ich etwas verzögert in der Vorfreude. Die Verzögerer sind einige Dinge, die mich in diese Lage versetzen.
- Seit acht Monaten reise ich völlig frei und ungebunden, nun wissen andere was ich zu tun habe.
- 20 Tage auf einem Schiff zusammen mit vielen Leuten, wird sehr ungewohnt für mich sein.
- 20 Tage mit einer für mich noch unbekannten Frau meine Kabine zu teilen.
- Dauererkältung mit starkem Husten, seit ich in Argentinien bin
Was bekomme ich alles dafür!
- Eislandschaften, die grandios sein sollen
- Pinguine in jeglicher Größe aus nächster Nähe und Seelöwen ……!
- Ich treffe meine Wale wieder, die ich schon in Australien an mir vorbei ziehen sah!
- Werde an den entlegensten Stellen dieser Erde verweilen …………!
- …………………!
Dafür liebe Karin kannst du dich auch einmal mit deinem Freiheitsdrang einschränken!
Noch eine Stunde muss ich mich gedulden.
Ob ich mich vom Schiff aus melden kann, erfahre ich erst an Bord. Wenn nicht wünsche ich all meinen Lesern eine wunderschöne Weihnachtszeit und einen guten Start ins Neue Jahr.
Bis bald aus der Antarktis.